Etwa 5000 Studierende haben im Wintersemester 16/17 mit Beeinträchtigung studiert. Neben sichtbaren Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen sind ca. 50% dieser Studierenden psychologisch beeinträchtigt. Ob Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion oder Emotionsregulation, Konzentrationsprobleme, Zwänge und Ticks – das Spektrum psychischer und neurodiverser Beeinträchtigungen ist sehr groß.
Herausforderungen im Studienalltag gibt es für uns alle zur Genüge. Deshalb darf der Zugang zu Gebäuden erst recht keine Herausforderung darstellen. Automatische Türen mit funktionsfähigen Tastern sollten in allen Universitätsgebäuden verbaut werden, Rampen sollten die Gebäudeeingänge zugänglich machen. Auch die Teilnahme an Vorlesungen sollte für jeden*jede selbstverständlich möglich sein. Hier können Blindenleitsysteme und ertastbare Raumbeschriftung, die Akustik und Beleuchtung in Hörsälen und Seminarräumen oder Induktionsschleifen für Hörgeschädigte einige Barrieren abbauen.
Barrierefreiheit erstreckt sich jedoch nicht nur auf Neu- und Umbauten, sondern ganz grundlegend auf Informationen, wie Internetauftritte, Studienmaterialien oder Lehrveranstaltungen und den Ausbau digitaler Angebote zum Lernen und Nacharbeiten.
Ein angenehmeres, störungsfreies Raumklima in Hörsälen allein reicht nicht aus. Ein Großteil der Probleme von Studierenden mit Beeinträchtigung betrifft die Studienorganisation, das Absolvieren von Prüfungen oder den Kontakt zu Kommiliton*innen.
Wir sind gegen jede Form der Anwesenheitspflicht, um dem Mehraufwand an Gesundheitspflege, seien es die tägliche Psychohygiene, Arztterminen oder Klinikaufenthalten, nachkommen zu können. Wir möchten die Teilhabe am universitären Leben fördern. O-Wochen wollen wir inklusiv gestalten und Kurse zu Deutscher Gebärdensprache sollen am Sprachenzentrum angeboten werden. Im AStA gibt es diese Kurse bereits seit einigen Semestern.
So vielfältig wie die individuellen Beeinträchtigungen auf den Studienalltag einwirken, so undurchsichtig und unpassend sind leider auch die bestehenden gesetzlichen Regelungen. Der Nachteilsausgleich – Zeitaufschläge oder gesonderte Räume bei Klausuren – sorgt dafür, die entstandenen Nachteile von Studierenden mit Beeinträchtigungen in der Prüfungssituation auszugleichen. Allerdings nur auf Antrag. Betroffene müssen immer wieder selbst aktiv werden und von Semester zu Semester von Prof zu Prof neu verhandeln. Wir brauchen einen verbindlichen und unbürokratischen Weg zum Nachteilsausgleich.
Bereits vor der Corona Pandemie waren Anlaufstellen und Möglichkeiten für Studierende, die unter psychischen Belastungen stehen, beschränkt. Viel zu oft fanden sie sich durch kapitalistische Lebensrealitäten in Situationen wieder, in welchen die Hürden zu einer Therapie zu hoch, in welcher gesellschaftliche Stigmata zu präsent und in welcher Lehrpläne und Nachteilsausgleiche zu unflexibel waren, um ihr Studium fortführen zu können. Da sich insbesondere durch die Pandemie die Situation für viele Studierende verschärft hat, haben wir im AStA ein Konzept zur psychischen Gesundheit erstellt. Die Uni muss sich der Situation der Studierenden bewusst sein und steht in der Verantwortung, eine niedrigschwellige und allgemeine Anlaufstelle zu schaffen, in der Studierende sich in Präsenz beraten lassen können. Das Studium, Klausuren und Vorlesungen müssen so flexibel gestaltbar sein, dass psychisch erkrankte Studierende nicht auf Grund ihrer Krankheit zum Abbruch ihres Studiums gezwungen werden. Gerade während der Pandemie müssen Fristen entsprechend verlängert oder gar ausgesetzt werden und Freiversuchsregelungen weiterhin gelten.