Stellungnahme der Juso-Hochschulgruppe Münster zum AStA-Beschluss zur Zusammenarbeit mit der Projektstelle Ideologiekritik vom 17.11.2020

In seinem Plenum am 17. November 2020 hat der AStA – getragen von CampusGrün, der Demokratisch Internationalen Liste und uns, der Juso-Hochschulgruppe – den Beschluss gefasst, „das Projekt Veranstaltungen zur Ideologiekritik in seiner jetzigen Form nicht weiter zu fördern.“

Bereits im Vorfeld dieses Plenums hatte die Ideologiekritik-Projektstelle erklärt, ihre Zusammenarbeit mit dem AStA – als Konsequenz aus dem vorangegangenen Konflikt insbesondere mit dem autonomen BIPoC-Referat und dem betreuenden AStA-Referat für Diversity, Kultur, Feminismus und politische Bildung – beenden zu wollen. Die Frage, ob und wie eine weitere Zusammenarbeit des AStAs mit der Projektstelle bestehen könne, war durch diese Erklärung schon hinfällig geworden. 

Dennoch bestanden mehrere AStA-Referent*innen beim AStA-Plenum darauf, dass der AStA einen Beschluss über seine Zusammenarbeit mit der Ideologiekritik fasse. Dies geschah schließlich gegen den ausdrücklichen Willen der teilnehmenden Juso-HSG-Referent*innen. Der oben genannte Beschluss wurde sodann mit 12 Ja-Stimmen und 4 Nein-Stimmen (keine Enthaltung) gefasst. 

Dieses Vorgehen kritisieren wir als Juso-Hochschulgruppe deutlich. Das Beharren auf einen Beschluss des AStAs bezüglich der Ideologiekritik, während diese sich ihrerseits zurückgezogen hatte und der ursprüngliche Antrag über die Weiterführung der Projektstelle somit gegenstandslos geworden war, legt nahe, dass die Beschlussfassung nicht bloß von der Klärung der zukünftigen Zusammenarbeit mit der Projektstelle motiviert war. Vielmehr deutet das Verhalten der tonangebenden Referent*innen darauf hin, dass das Ziel nur noch die nachträgliche Verurteilung der Projektstelle und ihrer Arbeit war. Insbesondere, da die Gründe für den Beschluss nicht öffentlich diskutiert oder erläutert wurden. 

Unabhängig von dieser Kritik an AStA-internen Abläufen sehen wir es als wichtig an, uns als Juso-Hochschulgruppe auch inhaltlich zu dem Konflikt zwischen der Projektstelle Ideologiekritik und BIPoC-Referat zu verhalten. Denn bei unserem Plenum hatte sich in Diskussionen abgezeichnet, dass die Idee der Projektstelle grundsätzlich durchaus als wichtig und unterstützenswert erachtet wird.  

Die Tatsache, dass dieser Standpunkt sich nicht in der Entscheidung des AStAs wiederfindet, ist einerseits Ergebnis der politischen Realitäten, auf denen der AStA momentan fußt. Klar ist gleichzeitig aber auch, dass die Vorgänge und der Beschluss beim betreffenden AStA-Plenum Ergebnisse eines seit Wochen schwelenden Konflikts sind. Die Art und Weise, wie zwischen AStA-Referaten, betroffenen Akteur*innen und unserem Plenum kommuniziert wurde, muss in einem internen Prozess reflektiert werden. 

Wir verstehen den zutage getretenen Konflikt zwischen Ideologiekritik und BIPoC-Referat im Kontext eines den linken Diskurs derzeit bestimmenden Spannungsfelds. Dieses Spannungsfeld besteht zwischen identitätspolitischen Ansätzen, welche die Perspektiven und die Deutungshoheit von Diskriminierungs-Betroffenen zum Ausgangspunkt politischer Arbeit machen auf der einen Seite und materialistischen Ansätzen, die eine universalistische Kritik an vorherrschenden Strukturen, Ideen und Machtverhältnissen zum Ausgangspunkt politischer Arbeit machen.  

Als linke Hochschulgruppe erkennen wir uns und unser Engagement als in dieses Spannungsfeld eingebettet an und wir nehmen die Herausforderung, die es bedeutet, sich innerhalb dessen zu verorten, an. Wir erkennen, dass beide Ansätze ihre Berechtigung haben. Wir sind gewillt, auch vermeintliche Widersprüche auszuhalten, wenn es darum geht, materialistische und identitätspolitische Ansätze für unser politisches Handeln zu vereinen. 

Es steht für uns außer Frage, dass von Diskriminierung Betroffenen zugehört werden muss und individuelle Rassismus-Erfahrungen – auch im Kontext aktueller politischer Auseinandersetzungen – problematisiert werden müssen und nicht relativiert werden dürfen. Wir sind solidarisch mit von Rassismus Betroffenen und wir setzen uns dafür ein, dass BIPoC überall und insbesondere an unserer Universität Schutzräume und Beschwerdestellen haben. 

Aus unserem sozialistischen Selbstverständnis heraus sehen wir die Notwendigkeit, die patriarchalen und kapitalistischen Realitäten unserer Gesellschaft und die sie konstituierenden Ideen, Hierarchien und Strukturen als solche auf einer überindividuellen Ebene zu analysieren, zu kritisieren und zu verändern. 

Mit der Projektstelle Ideologiekritik verliert der AStA eine wichtige Partnerin, welche sich mit ihrer Bildungsarbeit genau dieser Notwendigkeit seit Jahren angenommen hat. Das schmerzt uns als Juso-Hochschulgruppe. 

Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man sich vor Augen führt, dass die Arbeit der Ideologiekritik integral für antisemitismuskritische Bildungsarbeit in Münster ist. Arbeit, die insbesondere angesichts aktueller gesellschaftspolitischer Tendenzen auch in unserer Stadt unabdingbar ist. Dass die Zusammenarbeit mit und die Förderung durch den AStA nun vorerst zu einem Ende gebracht worden sind, erfüllt uns mit Sorge. 

Wir bekräftigen den Anspruch an uns selbst, unsere Rolle als Hochschulgruppe in den Abläufen kritisch zu reflektieren. Zuletzt ziehen wir für uns selbst die Konsequenz, in Zukunft weiter für emanzipatorische und kritische Bildungsarbeit einzutreten und ihr Räume in der verfassten Studierendenschaft (wieder) zu eröffnen. Dass dies auch zukünftig teilweise in Spannung mit identitätspolitischen Ansätzen stehen wird ist eine Tatsache, die wir durchaus anerkennen. Diskriminierung darf in diesem Spannungsfeld aber in keiner Weise einen Platz haben. Der Herausforderung, diese Spannungen auszuhalten und in einem linken Diskurs fruchtbar zu machen, wollen und werden wir uns stellen.